Die Senkung der Lohnnebenkosten ist eine Gehaltskürzung
Was sind überhaupt Lohnnebenkosten?
Wenn ein Arbeitgeber (AG) einen Arbeitnehmer (AN) anstellt, so bezahlt er diesem nicht nur seinen Lohn/Gehalt, sondern er hat noch viele weitere Ausgaben zu decken die unter dem Begriff Lohnnebenkosten zusammengefasst werden. Darunter fallen unter anderem:
- Sozialbeiträge der Arbeitgeber
- Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Pflege,- Arbeitslosen,- Unfallversicherung)
- Lohn- und Gehaltsfortzahlungen bei Urlaub, Krankheit, Mutterschutz
- sonstige freiwillige Sozialleistungen der Arbeitgeber, darunter: Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld, Beihilfen zu Kosten für Arztleistungen und Kuren sowie Zahnersatz
- Kosten für die berufliche Aus- und Weiterbildung
- Sonstige Aufwendungen, darunter
- Anwerbungskosten
- vom Arbeitgeber gestellte Berufskleidung
- Umzugskostenerstattungen
- Einrichtungsbeihilfen bei Einstellungen
- Steuern auf die Lohnsumme oder Beschäftigtenzahl
Würden wir alle diese Ausgaben zu unserem Gehalt dazu zählen, dann wäre unser Einkommen deutlich höher als das, was wir auf dem Gehaltszettel am Ende eines Monats als Zahlung sehen. Viele diese Punkte nehmen die AN jedoch als selbstverständlich und gegeben an. Und doch leuchtet es sofort ein, das es uns finanziell schlechter geht, wenn die Lohnnebenkosten gesenkt werden und damit weniger Geld für Ausbildung, Berufskleidung oder sonstige Zuschüsse vom Arbeitgeber vorhanden ist.
Für all diese Vergünstigungen haben frühere Generationen lange gekämpft. Und auch heute noch versuchen Gewerkschaften für alle Arbeitnehmer Vergünstigungen zu erstreiten. Anders verhält es sich auf Arbeitgeberseite. Diese sind ständig versucht diese Errungenschaften (Lohnnebenkosten) für den AN zu senken. Denn dadurch verringern sich Ihre Ausgaben und der eigene Gewinn lässt sich erhöhen. Die Politik unterstützt die Unternehmer seit Jahren dabei die Kosten für die Sozialversicherung vom AG auf den AN abzuwälzen.
Zwei Beispiele, die für jeden von uns eine Gehaltskürzung bedeuten:
1. Krankenversicherungsbeiträge
Hier zahlten früher der AG und der AN je die Hälfte der Beiträge. 1970 waren das je 4,1% für den AG und AN. Dieser Beitragssatz wurde in den letzten Jahrzehnten immer weiter erhöht (Grund: Kostensteigerungen im Gesundheitssystem, die zunehmende Lebenserwartung, bessere technologische Gesundheitsvorsorge, Steigerung der Verwaltungskosten und vieles mehr). So hatten zum Beispiel 1990 AN und AG schon je 6,25% und 2004 je 7,14% zu tragen.
Seit dem Jahr 2005 unter der Regierung von Gerhard Schröder (SPD und Grüne) wird der Beitragssatz nicht mehr paritätisch geteilt. Erstmals wurden hier die Kosten für den AG gedeckelt (in 2005 auf 6,45%). Den Rest musste der AN allein übernehmen (in 2005: 7,35%). Seit dem wird zwar auch der AG-Beitrag immer wieder angepasst, ist aber zumeist rund 1% niedriger als der Beitragssatz für den AN.
2015 wurde das System abermals geändert. Ab diesem Jahr tragen sowohl AN als auch AG je 7,3% der Kosten für die Krankenversicherung. Jedoch kann ab jetzt jede gesetzliche Krankenkasse individuell einen Zusatzbeitrag von ihren Mitgliedern erheben. Ein Mindestbetrag oder Höchstbetrag ist rechtlich nicht festgelegt. 2015 war dieser bei den 90 größten gesetzlichen Krankenversicherungen im Durchschnitt bei 0,9%. Dabei verlangten einige Krankenkassen gar keinen Zusatzbeitrag, während andere Kassen bis zu 1,3% Zusatzbeitrag erhoben. Wichtig aber zu wissen: der Zusatzbeitrag ist allein vom AN zu tragen.
Beitragssätze in der GKVZeitraum | Beitragssatz (AG + AN) | Beitrag des Arbeitgebers (AG) | Beitrag des Arbeitnehmers (AN) |
---|---|---|---|
1970 | 8,2% | 4,1% | |
1975 | 10,5% | 5,25% | |
1980 | 11,4% | 5,7% | |
1985 | 11,8% | 5,9% | |
1990 | 12,5% | 6,25% | |
1995 | 13,2% | 6,6% | |
2000 | 13,5% | 6,75% | |
2001 | 13,6% | 6,8% | |
2002 | 14,0% | 7,0% | |
2003 | 14,3% | 7,15% | |
2004 | 14,3% | 7,15% | |
Jan.-Jun. 2005 | 13,8% | 6,9% | |
Jul.-Dez. 2005 | 13,8% | 6,45% | 7,35% |
2006 | 13,4% | 6,25% | 7,15% |
2007 | 14,0% | 6,55% | 7,45% |
2008 | 14,0% | 6,55% | 7,45% |
Jan.-Jun. 2009 | 15,5% | 7,3% | 8,2% |
Jul.-Dez. 2009 | 14,9% | 7,0% | 7,9% |
2010 | 14,9% | 7,0% | 7,9% |
2011-2014 | 15,5% | 7,3% | 8,2% |
2015 | 14,6% | je 7,3% (AN + Zusatzbeitrag (∅ 0,9%) | |
2016 | 14,6% | je 7,3% (AN + Zusatzbeitrag (∅ 1,1%) |
Ein Zahlenbeispiel (alle Werte aus 2014):
Erwerbseinkommen wie das Durchschnittseinkommen 2014: 34.515 Euro
Davon je 7,3% AG und AN: macht 2.519,60 Euro p.a. (209,97 Euro p.M.) für den AN und AG der von Beiden an die jeweilige Krankenkasse abgeführt werden muss.
Angenommener Zusatzbeitrag von 0,9% (nur vom AN zu tragen): entspricht 310,64 Euro p.a. (25,89 Euro p.M.). Würde sich der AG wie vor 2005 an diesem Beitrag beteiligen, so wäre ihr Einkommen um 155,32 Euro p.a (12,94 Euro p.M.) höher. Anders ausgedrückt. Durch die Festlegung des maximalen Beitragssatzes für AG auf 7,3% entsteht Ihnen in diesem Beispiel eine Gehaltskürzung von 155,32 Euro p.a. (das sind 0,45% Ihres Einkommens).
Das klingt zwar nach einem relativ kleinem Betrag, ist aber auf alle AN hochgerechnet eine Summe von über 15 Milliarden Euro. Und die Hälfte dieser Summe fehlt den Arbeitnehmern für Ihren privaten Konsum oder Ihre Sparquote. Noch viel gravierender ist aber die Tatsache, dass diese Gehaltskürzung Jahr für Jahr stattfindet. Außerdem: Erfolgen die Kostensteigerung bei den gesetzlichen Krankenkassen wie im Durchschnitt der letzten Jahre, können wir uns alle schon auf in den nächsten Jahren steigende Zusatzbeiträge einstellen und damit auf weitere indirekte Gehaltsreduktionen.
2. Rentenversicherungsbeiträge
In der Tabelle kann man erkennen, dass der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung seit den 1970-iger Jahren relativ konstant ist. Allerdings gibt es einen deutlichen Unterschied wieviel Rente man für seine Einzahlung als Gegenleistung bekommt. So erhielt man im Jahr 1970 pro 100 Euro Einzahlung in die DRV eine lebenslange Rente von 0,57 Euro p.M. Im Jahr 2014 waren das mit 0,44 Euro p.M. lebenslanger Rente rund 23% weniger als 1970.
Jahr | DRV Beitragssatz |
---|---|
2015 | 18,7% |
2013 - 2014 | 18,9% |
2012 | 19,6% |
2007 - 2011 | 19,9% |
2003 - 2006 | 19,5% |
2001 - 2002 | 19,1% |
2000 | 19,3% |
1999 | 19,5% |
1997 - 1998 | 20,3% |
1996 | 19,2% |
1995 | 18,6% |
1994 | 19,2% |
1993 | 17,5% |
1991 - 1992 | 17,7% |
1988 - 1990 | 18,7% |
1987 | 19,2% |
1986 | 18,7% |
1985 | 18,5% |
1983 - 1984 | 18,5% |
1982 | 18,0% |
1981 | 18,5% |
1973 - 1980 | 18,0% |
1970 - 1972 | 17,0% |
1969 | 16,0% |
1968 | 15,0% |
1963 -1967 | 14,0% |
Betrachtet man diese Tabelle genauer, so erkennt man, das der Beitragssatz 1997/1998 schon 1,6% höher war als heute. Mit fallender Tendenz in den letzten Jahren. So wird der AG bei den Lohnnebenkosten entlastet. Aber auch der AN. Denn diesem bleibt mehr Netto von seinem Brutto und damit mehr auf seinem Konto. Das klingt ja erstmal sehr schön. Aber je geringer der Beitragssatz, desto weniger zahlt man ja auch in die DRV und desto geringer ist später einmal die eigene Rente. Und der AN verliert gleich doppelt. Denn auch der AG zahlt weniger ein und so wird die zu erwartende Rente noch geringer.
Ein Zahlenbeispiel (alle Werte aus 2014):
Erwerbseinkommen wie das Durchschnittseinkommen 2014: 34.515 Euro
Davon in 2014 je 9,45% AG und AN: macht 3.261,67 Euro p.a. (271,81 Euro p.M.) für den AN und AG der von Beiden an die DRV abgeführt werden muss.
Diese jährliche Beitragszahlung sichert mir später eine lebenslange monatliche gesetzliche Rente von 28,70 Euro (3.261,67*2/100*0,44). Nach angenommenen 35 Beitragsjahren könnte ich dann mit einer Rente von 1.004,59 Euro p.M. (28,70*35) rechnen.
Annahme: Sinkt der Beitragssatz um 1% (je 0,5% für AG und AN) sieht die Rechnung wie folgt aus:
8,95% Beitragssatz je AN und AG ergibt jährliche Einzahlungen in die DRV von 3.089,09 Euro. Und damit eine Rentenanwartschaft von 27,18 Euro p.M. Nach 35 Beitragsjahren wäre das eine monatliche Rente von 951,44 Euro.
Da der AG den hälftigen Beitragssatz zur DRV trägt reduziert sich mein „Gehalt“ durch die 0,5%-ige Beitragssatzsenkung um 14,38 Euro p.M. (172,58 Euro p.a.). Noch gravierender ist die Auswirkung aber bei meiner zukünftigen Rente. So verringert sich meine jährliche Rentenanwartschaft bei einer Reduzierung des Beitragssatzes um 1% (je 0,5% für AG und AN) um 5,3% (27,18/28,70*100). Oder anders ausgedrückt: stiege der Beitragssatz um 1% so würden Sie lebenslang eine um 5% höhere Rente erhalten.
Zusammenfassung:
Die Senkung der Lohnnebenkosten kann man von zwei Seiten betrachten. Einerseits erhalten Sie durch die Senkung mehr Netto von Ihrem Brutto. Das ist erstmal gut. Wenn man aber sieht, dass die Kosten für Krankheit und Altersvorsorge weiter steigen muss man sich fragen wer dafür aufkommt. Die Antwort ist leider: Sie – und zwar privat. Sie verlieren also doppelt, da der AG weniger Beiträge für Sie leistet. Möchten Sie also den gleichen Schutz wie vor der Senkung der Lohnnebenkosten haben, dann müssen Sie privat Ihren und zusätzlich noch den AG-Anteil mit übernehmen.
Fazit: Senkung der Lohnneben-kosten = GehaltskürzungDie Politik sollte im Sinne des Gemeinwohls handeln, unterstützt aber durch Ihre Gesetzgebung in den letzten Jahren die Arbeitgeber, einerseits durch die Fixierung des AG-Anteils zur gesetzlichen Krankenversicherung, andererseits durch die Reduzierung des Beitragssatzes zur DRV (nur möglich durch die Absenkung der Standardrente, siehe Artikel „Die Rente ist sicher!“). Die Arbeitnehmer sind durch diese Politik benachteiligt. Die Gewinner sind die Arbeitgeber, denn diesen ist durch die Politik erlaubt, sich weniger an den Sozialausgaben zu beteiligen.