Die Senkung der Lohnnebenkosten ist eine Gehaltskürzung

Immer wieder fordert die Wirtschaft eine Senkung der Lohnn­ebenkosten um international wettbewerbs­fähig zu sein. Und viele Bürger sind auch dafür, weil so mehr Netto vom Brutto übrig bleibt. Leider wissen aber die Wenigsten, das es sich hierbei um eine versteckte Lohn/Gehalts­kürzung handelt und Sie durch die Befürwortung letzt­endlich weniger in der Tasche haben als vorher.

Was sind überhaupt Lohnnebenkosten?

Wenn ein Arbeitgeber (AG) einen Arbeitnehmer (AN) anstellt, so bezahlt er diesem nicht nur seinen Lohn/Gehalt, sondern er hat noch viele weitere Ausgaben zu decken die unter dem Begriff Lohnn­ebenkosten zusammen­gefasst werden. Darunter fallen unter anderem:

  1. Sozialbeiträge der Arbeitgeber
    1. Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung (Kranken-, Renten-, Pflege,- Arbeitslosen,- Unfall­versicherung)
    2. Lohn- und Gehalts­fortzahlungen bei Urlaub, Krankheit, Mutterschutz
    3. sonstige freiwillige Sozial­leistungen der Arbeitgeber, darunter: Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld, Beihilfen zu Kosten für Arzt­leistungen und Kuren sowie Zahnersatz
  2. Kosten für die berufliche Aus- und Weiterbildung
  3. Sonstige Aufwendungen, darunter
    1. Anwerbungskosten
    2. vom Arbeitgeber gestellte Berufskleidung
    3. Umzugskostenerstattungen
    4. Einrichtungs­beihilfen bei Einstellungen
  4. Steuern auf die Lohnsumme oder Beschäftigten­zahl

Würden wir alle diese Ausgaben zu unserem Gehalt dazu zählen, dann wäre unser Einkommen deutlich höher als das, was wir auf dem Gehaltszettel am Ende eines Monats als Zahlung sehen. Viele diese Punkte nehmen die AN jedoch als selbst­verständlich und gegeben an. Und doch leuchtet es sofort ein, das es uns finanziell schlechter geht, wenn die Lohn­nebenkosten gesenkt werden und damit weniger Geld für Ausbildung, Berufskleidung oder sonstige Zuschüsse vom Arbeitgeber vorhanden ist.

Für all diese Vergünstigungen haben frühere Generationen lange gekämpft. Und auch heute noch versuchen Gewerk­schaften für alle Arbeitnehmer Vergünstigungen zu erstreiten. Anders verhält es sich auf Arbeit­geber­seite. Diese sind ständig versucht diese Errungenschaften (Lohnnebenkosten) für den AN zu senken. Denn dadurch verringern sich Ihre Ausgaben und der eigene Gewinn lässt sich erhöhen. Die Politik unterstützt die Unternehmer seit Jahren dabei die Kosten für die Sozial­versicherung vom AG auf den AN abzuwälzen.

Zwei Beispiele, die für jeden von uns eine Gehaltskürzung bedeuten:

1. Krankenversicherungsbeiträge

Hier zahlten früher der AG und der AN je die Hälfte der Beiträge. 1970 waren das je 4,1% für den AG und AN. Dieser Beitrags­satz wurde in den letzten Jahrzehnten immer weiter erhöht (Grund: Kosten­steigerungen im Gesund­heits­system, die zunehmende Lebenserwartung, bessere technologische Gesundheits­vorsorge, Steigerung der Verwaltungs­kosten und vieles mehr). So hatten zum Beispiel 1990 AN und AG schon je 6,25% und 2004 je 7,14% zu tragen.

Exkurs: Effizienz der gesetzlichen Krankenversicherungen
Auch wenn viele Menschen sich über Ihre gesetzliche Kranken­versicherungen aufregen. In Punkto effiziente Ver­waltung sind Sie den privaten Kranken­versicherungen haushoch überlegen. So gaben alle gesetzlichen Kranken­kassen im Jahr 2014 rund 10 Milliarden Euro für Verwaltungs­aufwendungen (7,8 Mrd. für Personal und 2,2 Mrd. für Sachkosten) aus. Bei Gesamt­ausgaben von rund 205,3 Milliarden macht das rund 4,8%. Im gleichen Zeitraum lagen die Verwaltungs- und Abschluss­kosten der privaten Kranken­versicherungen bei 3,2 Milliarden und Gesamt­ausgaben von 46,2 Milliarden. Das sind stolze 6,9% der Beiträge und damit fast 44% mehr als die gesetzlichen Kranken­kassen für Ihre Verwaltung im gleichen Zeitraum ausgaben.

Quelle: www.bmg.bund.de/fileadmin/dateien/Downloads/Statistiken/GKV/Finanzergebnisse/KV45_4Q2014.pdf und www.pkv.de/service/broschueren/daten-und-zahlen/zahlenbericht-2014/

Seit dem Jahr 2005 unter der Regierung von Gerhard Schröder (SPD und Grüne) wird der Beitrags­satz nicht mehr paritätisch geteilt. Erstmals wurden hier die Kosten für den AG gedeckelt (in 2005 auf 6,45%). Den Rest musste der AN allein übernehmen (in 2005: 7,35%). Seit dem wird zwar auch der AG-Beitrag immer wieder angepasst, ist aber zumeist rund 1% niedriger als der Beitrags­satz für den AN.

2015 wurde das System abermals geändert. Ab diesem Jahr tragen sowohl AN als auch AG je 7,3% der Kosten für die Kranken­versicherung. Jedoch kann ab jetzt jede gesetzliche Kranken­kasse individuell einen Zusatz­beitrag von ihren Mitgliedern erheben. Ein Mindest­betrag oder Höchst­betrag ist rechtlich nicht fest­gelegt. 2015 war dieser bei den 90 größten gesetzlichen Kranken­versicherungen im Durch­schnitt bei 0,9%. Dabei verlangten einige Kranken­kassen gar keinen Zusatz­beitrag, während andere Kassen bis zu 1,3% Zusatz­beitrag erhoben. Wichtig aber zu wissen: der Zusatz­beitrag ist allein vom AN zu tragen.

Beitragssätze in der GKV
ZeitraumBeitragssatz (AG + AN)Beitrag des
Arbeitgebers (AG)
Beitrag des
Arbeitnehmers (AN)
19708,2%4,1%
197510,5%5,25%
198011,4%5,7%
198511,8%5,9%
199012,5%6,25%
199513,2%6,6%
200013,5%6,75%
200113,6%6,8%
200214,0%7,0%
200314,3%7,15%
200414,3%7,15%
Jan.-Jun. 200513,8%6,9%
Jul.-Dez. 200513,8%6,45%7,35%
200613,4%6,25%7,15%
200714,0%6,55%7,45%
200814,0%6,55%7,45%
Jan.-Jun. 200915,5%7,3%8,2%
Jul.-Dez. 200914,9%7,0%7,9%
201014,9%7,0%7,9%
2011-201415,5%7,3%8,2%
201514,6%je 7,3% (AN + Zusatzbeitrag (∅ 0,9%)
201614,6%je 7,3% (AN + Zusatzbeitrag (∅ 1,1%)
Quelle: www.statistik.baden-wuerttemberg.de/GesundhSozRecht/Landesdaten/LRSozVers.asp

Ein Zahlenbeispiel (alle Werte aus 2014):

Erwerbseinkommen wie das Durch­schnitts­einkommen 2014: 34.515 Euro

Davon je 7,3% AG und AN: macht 2.519,60 Euro p.a. (209,97 Euro p.M.) für den AN und AG der von Beiden an die jeweilige Kranken­kasse abgeführt werden muss.

Angenommener Zusatzbeitrag von 0,9% (nur vom AN zu tragen): entspricht 310,64 Euro p.a. (25,89 Euro p.M.). Würde sich der AG wie vor 2005 an diesem Beitrag beteiligen, so wäre ihr Einkommen um 155,32 Euro p.a (12,94 Euro p.M.) höher. Anders ausgedrückt. Durch die Fest­legung des maximalen Beitrags­satzes für AG auf 7,3% entsteht Ihnen in diesem Beispiel eine Gehaltskürzung von 155,32 Euro p.a. (das sind 0,45% Ihres Einkommens).

Das klingt zwar nach einem relativ kleinem Betrag, ist aber auf alle AN hoch­gerechnet eine Summe von über 15 Milliarden Euro. Und die Hälfte dieser Summe fehlt den Arbeit­nehmern für Ihren privaten Konsum oder Ihre Spar­quote. Noch viel gravierender ist aber die Tatsache, dass diese Gehalts­kürzung Jahr für Jahr stattfindet. Außerdem: Erfolgen die Kostensteigerung bei den gesetzlichen Kranken­kassen wie im Durch­schnitt der letzten Jahre, können wir uns alle schon auf in den nächsten Jahren steigende Zusatz­beiträge einstellen und damit auf weitere indirekte Gehalts­reduktionen.

2. Rentenversicherungsbeiträge

In der Tabelle kann man erkennen, dass der Beitrags­satz zur gesetzlichen Renten­versicherung seit den 1970-iger Jahren relativ konstant ist. Aller­dings gibt es einen deutlichen Unter­schied wieviel Rente man für seine Einzahlung als Gegenleistung bekommt. So erhielt man im Jahr 1970 pro 100 Euro Einzahlung in die DRV eine lebens­lange Rente von 0,57 Euro p.M. Im Jahr 2014 waren das mit 0,44 Euro p.M. lebens­langer Rente rund 23% weniger als 1970.

Exkurs: Wie kommt die Rechnung von 0,44 Euro Rente pro 100 Euro Beitrag ungefähr zustande?

0,44 Euro Euro Rente p.M. = 5,28 Euro Rente p.a.

Die ungefähre Lebens­erwartung einer heute 65 jährigen Person (Mittel aus Männern und Frauen) ist ungefähr 19 Jahre. Das heißt, ich bekomme diese Rente also im Durch­schnitt 19 Jahre lang gezahlt.

5,28 Euro p.a. * 19 Jahre = 100,32 Euro die ich als Gesamtrente über die 19 Jahre hinweg ausgezahlt bekomme.

Werde man also älter als 84 Jahre, ist das ein lohnendes Geschäft. Verstirbt man jünger, unterstützt man diejenigen in der Gemeinschaft, die Älter werden als 84 Jahre.

Beitragssätze der Deutschen Rentenversicherung
JahrDRV Beitragssatz
201518,7%
2013 - 201418,9%
201219,6%
2007 - 201119,9%
2003 - 200619,5%
2001 - 200219,1%
200019,3%
199919,5%
1997 - 199820,3%
199619,2%
199518,6%
199419,2%
199317,5%
1991 - 199217,7%
1988 - 199018,7%
198719,2%
198618,7%
198518,5%
1983 - 198418,5%
198218,0%
198118,5%
1973 - 198018,0%
1970 - 197217,0%
196916,0%
196815,0%
1963 -196714,0%
Quelle: www.statistik.baden-wuerttemberg.de/GesundhSozRecht/Landesdaten/LRSozVers.asp

Betrachtet man diese Tabelle genauer, so erkennt man, das der Beitragssatz 1997/1998 schon 1,6% höher war als heute. Mit fallender Tendenz in den letzten Jahren. So wird der AG bei den Lohn­nebenkosten entlastet. Aber auch der AN. Denn diesem bleibt mehr Netto von seinem Brutto und damit mehr auf seinem Konto. Das klingt ja erstmal sehr schön. Aber je geringer der Beitrags­satz, desto weniger zahlt man ja auch in die DRV und desto geringer ist später einmal die eigene Rente. Und der AN verliert gleich doppelt. Denn auch der AG zahlt weniger ein und so wird die zu erwartende Rente noch geringer.

Ein Zahlenbeispiel (alle Werte aus 2014):

Erwerbseinkommen wie das Durch­schnitts­einkommen 2014: 34.515 Euro

Davon in 2014 je 9,45% AG und AN: macht 3.261,67 Euro p.a. (271,81 Euro p.M.) für den AN und AG der von Beiden an die DRV abgeführt werden muss.

Diese jährliche Beitragszahlung sichert mir später eine lebens­lange monatliche gesetzliche Rente von 28,70 Euro (3.261,67*2/100*0,44). Nach angenommenen 35 Beitrags­jahren könnte ich dann mit einer Rente von 1.004,59 Euro p.M. (28,70*35) rechnen.

Annahme: Sinkt der Beitragssatz um 1% (je 0,5% für AG und AN) sieht die Rechnung wie folgt aus:

8,95% Beitragssatz je AN und AG ergibt jährliche Einzahlungen in die DRV von 3.089,09 Euro. Und damit eine Renten­anwartschaft von 27,18 Euro p.M. Nach 35 Beitragsjahren wäre das eine monatliche Rente von 951,44 Euro.

Da der AG den hälftigen Beitragssatz zur DRV trägt reduziert sich mein „Gehalt“ durch die 0,5%-ige Beitrags­satzsenkung um 14,38 Euro p.M. (172,58 Euro p.a.).  Noch gravierender ist die Auswirkung aber bei meiner zukünftigen Rente. So verringert sich meine jährliche Renten­anwartschaft bei einer Reduzierung des Beitrags­satzes um 1% (je 0,5% für AG und AN) um 5,3% (27,18/28,70*100). Oder anders aus­gedrückt: stiege der Beitrags­satz um 1% so würden Sie lebens­lang eine um 5% höhere Rente erhalten.

Zusammenfassung:

Die Senkung der Lohn­nebenkosten kann man von zwei Seiten betrachten. Einerseits erhalten Sie durch die Senkung mehr Netto von Ihrem Brutto. Das ist erstmal gut. Wenn man aber sieht, dass die Kosten für Krankheit und Alters­vorsorge weiter steigen muss man sich fragen wer dafür aufkommt. Die Antwort ist leider: Sie – und zwar privat. Sie verlieren also doppelt, da der AG weniger Beiträge für Sie leistet. Möchten Sie also den gleichen Schutz wie vor der Senkung der Lohn­nebenkosten haben, dann müssen Sie privat Ihren und zusätzlich noch den AG-Anteil mit übernehmen.

Fazit: Senkung der Lohn­neben-kosten = Gehaltskürzung

Die Politik sollte im Sinne des Gemeinwohls handeln, unter­stützt aber durch Ihre Gesetz­gebung in den letzten Jahren die Arbeit­geber, einerseits durch die Fixierung des AG-Anteils zur gesetzlichen Kranken­versicherung, andererseits durch die Reduzierung des Beitrags­satzes zur DRV (nur möglich durch die Absenkung der Standard­rente, siehe Artikel „Die Rente ist sicher!“). Die Arbeitnehmer sind durch diese Politik benachteiligt. Die Gewinner sind die Arbeit­geber, denn diesen ist durch die Politik erlaubt, sich weniger an den Sozialausgaben zu beteiligen.

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